Ob Hannover-Messe, BVL-Kongress oder Bekanntmachungen des BMBF, was gestern noch eine Automatisierungs- oder Softwarelösung war, ist heute Industrie 4.0. Der Vorteil dieser von der Bundesregierung geförderten Marketingkampagne ist, dass klassische und innovative Automatisierungslösungen beim Mittelstand in den Fokus rücken und Budgets freisetzen. Das führt kurzfristig zu Investitionen und mittelfristig zu sinkenden Preisen relevanter Technologien und in der Folge zu einer Sicherung des Standorts Deutschland. Es darf jedoch nicht der Fehler gemacht werden, zu glauben, dass einzelne Industrie 4.0-Lösungen oder digitale Plattformen unmittelbar zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit führen. Durch den Fokus auf Effizienzsteigerungen auf Basis isolierter digitaler Lösungen verlieren Unternehmen den Blick für strategisch notwendige Veränderungen.
Wir sind der Überzeugung, dass die digitale Transformation nicht primär nach neuen Technologien verlangt, sondern die gesamte Lieferkette betrachten muss, insbesondere an der Markt-Unternehmensschnittstelle. Um Unternehmen Klarheit ihre digitale Transformationsstrategie zu bringen, haben wir eine Klassifikationsmatrix entwickelt, in die Ihre Digitalisierungsmaßnahmen eingeordnet werden können. Grundlage bildet unsere Definition der digitalen Transformation: Digitale Transformation bezeichnet die Umsetzung von Innovationen in der Supply Chain durch die Verwendung digitaler Technologien und neuer Techniken in unterschiedlichen Transformationsgraden und Wertbeiträgen, von der Gestaltung automatisierter Prozesse bis hin zu disruptiven Geschäftsmodellen.
Abb.1: Klassifikation digitaler Supply Chain Transformation
Demnach können Maßnahmen einzelne Supply Chain Bausteine oder das gesamte Ökosystem verändern und dabei einen geringen oder hohen Wertbeitrag zum Geschäftserfolg liefern. Ein mögliches Beispiel eines disruptiven Geschäftsmodells ist die Schaffung eines kompletten Ökosystems zur Erstellung von 3D-Druck-Spritzgusswerkzeugen innerhalb weniger Werktage. Als autonomes Entscheidungssystem kann beispielsweise Künstliche Intelligenz (KI) zur Produktionsplanung angeführt werden. Ein möglicher Game Changer ist die dramatische Verkürzung der Lieferzeit innerhalb einer Branche. Die Einführung von Vendor-Managed-Inventory (VMI) zur Nachschubsteuerung bietet deutliche Effizienzvorteile, verändert aber nicht grundlegend das Geschäftsmodell.
Diese Systematik kann Unternehmen dabei helfen, den Hype um Industrie 4.0 und Digitale Transformation zu versachlichen. Wie bisher auch sind unternehmerische Entscheidungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Gestaltung der Unternehmenszukunft zu treffen. Unternehmen müssen ihre individuelle Strategie im digitalen Zeitalter weiterentwickeln.